Alles wird grün – auch die Markenführung?
In immer mehr Diskussionen taucht heute der Begriff „grüne Markenführung“ auf. Handelt es sich hierbei nur um einen neuen Modetrend, der nach kurzer Zeit wieder abebben wird? Oder zeigt sich hier eine Entwicklung, die die Markenführung langfristig vor neue Herausforderungen stellt?
Aufgabenstellungen einer grünen Markenführung
Short Facts
- Markenführung ist ein umfassender Prozess
- Der Kern der grünen Markenführung ist die Nachhaltigkeit
- Die grüne Markenführung geht jedes Unternehmen an
Einflussfaktoren der grünen Markenführung
In immer mehr Diskussionen taucht heute der Begriff „grüne Markenführung“ auf. Handelt es sich hierbei nur um einen neuen Modetrend, der nach kurzer Zeit wieder abebben wird? Oder zeigt sich hier eine Entwicklung, die die Markenführung langfristig vor neue Herausforderungen stellt?
Was ist das der Kern einer „grünen Markenführung“?
Um sich der Aufgabenstellung zu nähern, sind zunächst einmal die Begriffe „grün“ und „Markenführung“ zu klären. Mit Markenführung wird der Prozess bezeichnet, den Purpose, die zugrundeliegenden Werte sowie die längerfristige Identität einer Marke durch die verantwortlichen Manager zu definieren. Diese Markenidentität soll das eigene Leistungsangebot (Produkt/Dienstleistung) im Markt positionieren und von Wettbewerbsangeboten abgrenzen. Gleichzeitig soll diese Markenidentität die Begehrlichkeit in den Augen der Kunden sowie weiterer Stakeholder steigern – etwa von Investoren und (potenziellen) Mitarbeitern.
Der Prozess der Markenführung umfasst auch die Kommunikation der Markenidentität über verschiedene Kanäle nach innen und außen. Im Unternehmen selbst wird angestrebt, dass sich alle Mitarbeiter „markenkonform“ verhalten und die definierten Markenwerte tatsächlich auch leben. Im Außenverhältnis soll ein bestimmtes Markenimage aufgebaut werden – ein Markenbild in den Augen der relevanten Stakeholder. Dieses Markenimage soll der als Ziel definierten Markenidentität möglichst gut entsprechen.
Mit dem Begriff „grün“ werden heute verschiedene, teilweise überlappende Inhalte beschrieben. „Grün“ wird zunächst mit ökologischer Nachhaltigkeit verbunden. Hier ist an Bio-Produkte zu denken, die den Anforderungen einer ökologischen Landwirtschaft entsprechen. Hierzu wird auf den Einsatz von Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger verzichtet. Außerdem wird eine „artgerechtere“ Tierhaltung umgesetzt. So soll sichergestellt werden, dass auch in Zukunft noch gesunde Lebensmittel produziert werden können. Viele Bio-Label visualisieren eine solche ökologische Nachhaltigkeit.
Bei klassischen Produktionsprozessen und Produkten wird ebenfalls vermehrt auf diese ökologische Nachhaltigkeit geachtet. Hierbei geht es bspw. um eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs generell sowie um eine Verminderung der Schadstoffbelastung in der Herstellung und in der Nutzung der vermarkteten Produkte.
Auch die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft bzw. einer Circular Economy fördern diese ökologische Nachhaltigkeit. Hier wird ein ressourcenschonendes Produktions- und Konsumtions-Modell angestrebt. Rohstoffe und Produkte sollen möglichst lange genutzt, wiederverwendet, repariert bzw. instandgesetzt und wiederaufbereitet werden. Hierfür haben sich die Begriffe Refurbishing für Instandsetzung sowie Refabrikation bzw. Remanufacturing für Wiederaufbereitung etabliert. Auch ein Recycling soll erfolgen – allerdings erst dann, wenn die Lebensdauer nicht mehr (wirtschaftlich) verlängert werden kann. Hierfür sollen Rohstoff- und Nutzungskreisläufe geschlossen werden. Zusätzlich sind nachhaltigere Designs zu entwickeln. Gleichzeitig ist die eingebaute Veralterung von Produkten ist zu beenden, die Sollbuchstellen nutzt, um die Lebensdauer von Produkten künstlich zu verkürzen. Außerdem geht es darum, Abfälle in der Produktion und beim Konsum zu reduzieren.
Von einer ökonomischen sowie einer sozialen Nachhaltigkeit kann gesprochen werden, wenn die innerhalb der Wertschöpfungskette eingebundenen Leistungsträger „fair“ behandelt werden – gleich in welchem Land. Hierzu zählt eine „angemessene“ Entlohnung der Lieferanten, die bei Fair-Trade-Konzepten versprochen wird. Der Verzicht auf Kinderarbeit, ein angemessener Schutz der Leistungsträger im Produktionsprozess und eine Wahrung der Menschenrechte gehören ebenso in dieses Feld. Nachhaltigkeit kann hier auch ganz einfach mit „Menschlichkeit“ übersetzt werden. Wer möchte sich bspw. mit einem Kleidungsstück „schmücken“, dass unter verachtenswerten Arbeitsbedingungen in einem Sweat Shop in Pakistan gefertigt wurde – vielleicht sogar in 12-Stunden-Schichten. Das Wissen um oder die Vermutung von solchen schlechten Arbeitsbedingungen können beim Käufer Schuldgefühle aufkommen lassen.
Wie lässt sich „grüne Markenführung“ definieren?
Vor diesem Hintergrund kann grüne Markenführung wie folgt gekennzeichnet werden: Beim Prozess der grünen Markenführung sind die handelnden Manager bestrebt, die langfristigen Bedürfnisse der Kunden sowie von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt insgesamt zu erkennen und bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Hierfür wird schon länger der Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) verwendet. Mit CSR wird eine Verantwortung des Unternehmens beschrieben, die über den eigentlichen Unternehmenszweck hinausführt und zeigt, dass sich Unternehmen einer größeren Verantwortung stellen. Bei der grünen Markenführung werden diese Aspekte bei der Positionierung der Marke besonders hervorgehoben.
Die grüne Markenführung steht hierbei allerdings vor der Herausforderung, diese langfristigen Bedürfnisse mit den kurzfristigen Bedürfnissen der Kunden sowie mit den Unternehmenszielen selbst abzugleichen. Schließlich kann eine grüne Markenführung nicht erfolgreich sein, wenn die Kunden die „grünen Angebote“ ablehnen und/oder das Unternehmen seine Leistungserstellung nicht profitabel ausgestalten kann.
Ein Beispiel für die Ablehnung einer vermeintlich „grünen“ Alternative liefert Coca-Cola. Vor ein paar Jahren ist das Unternehmen damit gescheitert, eine grüne Coke zu präsentieren. Mit Coca-Cola Life wollte sich das Unternehmen ein grüneres und gesünderes Image verschaffen – weg vom negative Zucker-Image. Durch die Verwendung der pflanzlichen Süße Stevia sollte der Zuckergehalt reduziert werden. Das Angebot fiel bei den Kunden glatt durch.
Welche Branchen sollten sich mit der „grünen Markenführung“ beschäftigen?
Die angelaufene Diskussion zur grünen Markenführung umfasst nahezu alle Branchen. Zunächst standen Lebensmittel im Zentrum, weil diese von Menschen direkt konsumiert werden. Ungesunde Lebensmittel wirken sich unmittelbar auf die Konsumenten aus. Deshalb fanden sich schon früh Verfechter, um die Erzeugung „gesunder“ Lebensmittel zu fordern und zu fördern.
Auch anderen Produktionsunternehmen sollten sich zwingend mit dem Thema der grünen Markenführung befassen. Hierbei ist die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen – von der Beschaffung über die Produktion bis hin zur Logistik. Die Regelungen zum Lieferkettengesetz verpflichten Unternehmen in Zukunft immer stärker, ihre gesamte Wertschöpfungskette nicht nur unter ökologischen Aspekten, sondern auch unter „grünen“ Aspekten zu bewerten.
Besonders intensiv werden hier bereits heute die schädlichen Auswirkungen der Modeindustrie diskutiert. Die Modebranche ist einer weltweit größten Umweltverschmutzer. Hierzu trägt der Trend zu Fast-Fashion-Mode massiv bei. Bei der Erzeugung von Bekleidungsprodukten fallen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gigantische Mengen von CO2-Emissionen an. Man geht davon aus, dass allein auf die Modebranche zwischen 3-5 % der weltweiten CO2-Emissionen entfallen – mehr als Luft- und Schifffahrt gemeinsam verursachen. Außerdem fließen ca. 11 % des in der gesamten Industrie verwendeten Frischwassers in Fabriken der Modeindustrie.
Auch in der Servicebranche stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit immer dringender. So wird bspw. im Tourismus diskutiert, wie Urlaube ausgestaltet werden können, ohne die jeweilige Destination (langfristig) zu zerstören und/oder die dort lebenden Menschen in ihrem Alltag über Gebühr zu belästigen. Darf man überhaupt noch fliegen – nicht nur auf der Kurzstecke, sondern auch auf der Langstrecke, wenn man sich die damit verbundenen Emissionen vor Augen führt? Welche Kompensationsformen sind hier relevant?
Im Finanzdienstleistungssektor stellt sich die Frage, wie nachhaltige Investments aussehen können. Sollen finanzielle Ressourcen in den Abbau fossiler Brennstoffe investiert werden? Sind Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke als nachhaltige Investitionen zu betrachten? An welchen Kriterien sollten sich Investitionsentscheidungen orientieren, die das Label „grün“ oder „nachhaltig“ aufweisen dürfen? Bei diesen Entscheidungen spielen die sogenannten ESG-Kriterien eine besondere Rolle.
Damit wird deutlich: Das Thema der grünen Markenführung wird in allen Branchen immer wichtiger.
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Über den Autor | Ralf T. Kreutzer
Professor für Marketing | Berlin School of Economics and Law
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist seit 2005 Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht/Berlin School of Economics and Law. Parallel ist er als Trainer, Coach sowie als Marketing und Management Consultant tätig. Er war 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Bertelsmann (letzte Position Direktor des Auslandsbereichs einer Tochtergesellschaft), Volkswagen (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) und der Deutschen Post (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) tätig, bevor er 2005 zum Professor für Marketing berufen wurde.
Professor Kreutzer hat durch regelmäßige Publikationen und Keynote-Vorträge (u.a. in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Singapur, Indien, Japan, Russland, USA) maßgebliche Impulse zu verschiedenen Themen rund um Marketing, Dialog-Marketing, CRM/Kundenbindungssysteme, Database-Marketing, Online-Marketing, Social-Media-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digital Branding, Dematerialisierung, Change-Management, Künstliche Intelligenz, Agiles Management, strategisches sowie internationales Marketing gesetzt und eine Vielzahl von Unternehmen im In- und Ausland in diesen Themenfeldern beraten.
Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Toolbox für Marketing und Management“, „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zusammen mit Marie Sirrenberg), „B2B-Online-Marketing und Social Media (2. Aufl., 2020, zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“ (2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendialog online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Auflage, 2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwissen Kompakt (3. Aufl., 2021) und „Toolbox für Digital Business“ (2021).
Darüber hinaus leitet Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer die berufsbegleitende Ausbildung zum Chief Digital Officer (CDO) sowie das Seminar Nachhaltige Unternehmensführung bei der Bitkom Akademie.
www.ralf-kreutzer.de
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