Green Branding – eine Herausforderung auch für B2B-Unternehmen!

In den letzten Jahren hat sich der Druck für alle Unternehmen verschärft, sich ökologisch nachhaltig zu verhalten. Dies ist auf das steigende Umweltbewusstsein der Kunden, die höhere Umweltsensibilität der Investoren sowie auf die vielfältigen Vorschriften hinsichtlich Nachhaltigkeit und Transparenz von Geschäftsoperationen zurückzuführen. Aber wie kann ein Unternehmen „grün“ werden und gleichzeitig schwarze Zahlen schreiben?

Die Supply Chain als Dreh- und Angelpunkt

Shorts Facts

  • Grüne Lieferketten sind aufzubauen
  • Lieferanten-Scorecards unterstützen die Auswahl
  • Trend zum Reshoring und Friendshoring

Elemente der Kreislaufwirtschaft

In den letzten Jahren hat sich der Druck für alle Unternehmen verschärft, sich ökologisch nachhaltig zu verhalten. Dies ist auf das steigende Umweltbewusstsein der Kunden, die höhere Umweltsensibilität der Investoren sowie auf die vielfältigen Vorschriften hinsichtlich Nachhaltigkeit und Transparenz von Geschäftsoperationen zurückzuführen. Aber wie kann ein Unternehmen „grün“ werden und gleichzeitig schwarze Zahlen schreiben?
 

Die (globale) Supply Chain rückt in das Zentrum der Nachhaltigkeitsdiskussion

Die große Herausforderung der Unternehmensführung liegt darin, das Unternehmen und seine Angebote durch eine auf ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie im Wettbewerb zu differenzieren. Dies gilt in besonderem Maße auch für B2B-Unternehmen. Wenn man bedenkt, wie viele Zulieferer für die Herstellung deren Produkte und Dienstleistungen benötigt werden, rückt das Management der Lieferkette zunehmend in das Zentrum. Der Gesetzgeber und zunehmend auch die Geschäftspartner fordern von Unternehmen, dass diese umfassend Auskunft über die Einhaltung von Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung geben können (zu den ESG-Kriterien vgl. Nugget ESG). Diese Anforderungen beziehen sich dabei nicht nur auf die eigenen Produktionsstätten, sondern auch auf die von weiteren Zulieferunternehmen. 

Von den Unternehmen wird vielfach die Knüpfung grüner Lieferketten erwartet. Nicht nur die Verbraucher, sondern auch Unternehmen setzen verstärkt auf den Kauf nachhaltigerer Produkte und Dienstleistungen – häufig abgeleitet von den Anforderungen der eigenen Kunden. Auch B2B-Marken fühlen sich durch ihre Kunden unter Druck gesetzt, in höherem Maße Verantwortung für gesamte Lieferketten zu übernehmen und ihre Lieferanten nach den ESG-Kriterien bewusst auszuwählen. 

Um die Leistungen der eigenen Lieferanten besser bewerten zu können, wurden bereits in der Vergangenheit Lieferanten-Scorecards verwendet. In diese Scorecards fließen heute neben Kriterien wie Kosten, Produktqualität, Zuverlässigkeit, Flexibilität etc. zunehmend Anforderungen ein, die von den ESG-Kriterien abgeleitet werden. Je stärker solche Lieferanten-Scorecards auch Kriterien der Nachhaltigkeit berücksichtigen und gewichten, desto umfassender durchdringt ein Streben nach Nachhaltigkeit die gesamte Supply Chain. Unfaire Handelspraktiken und die Einbindung von Ausbeuterbetrieben in der Wertschöpfungskette werden immer weniger akzeptiert – auch wenn das mit Kostensteigerungen einhergehen kann. Gleichzeitig werden die Forderungen immer lauter, den Einsatz von Rohstoffen und Energie zu reduzieren und Abfälle zu vermeiden. 

Eine verantwortungsvolle Abfallwirtschaft wird von vielen Unternehmen heute in ihrer Tragweite noch unterschätzt. Dabei stellt die vermeidbare Produktion von Abfall immer noch eines der größten Vergehen dar, wenn Unternehmen umweltfreundliche Praktiken einsetzen möchten. Abfall hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens. Deshalb sollte sich jedes Unternehmen um eine ordnungsgemäße Entsorgung gefährlicher Abfälle bemühen – und diese nicht aus Kostengründen in Länder der Dritten Welt exportieren. Die Bandbreite solcher Exporte reicht von Plastikmüll über Computer-Schrott bis hin zu Schiffen, die an den Künsten afrikanischer oder asiatischer Länder unter menschen- und umweltverachtenden Standards ausgeschlachtet werden. Auch wenn die Vermeidung eines solchen Verhaltens anfangs zu kostspielig erscheinen mag, kann es sich später auszahlen, wenn hierdurch eine positive Profilierung vom Wettbewerb erreicht wird.

Das Unternehmen Philips beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Thema einer grüneren Lieferkette, um eine verantwortungsvolle und umweltfreundlichere Materialbeschaffung zu erreichen und nachhaltigere Lieferantenbeziehungen aufzubauen. Um eine grüne Lieferkette aufzubauen, setzt sich Philips nicht nur das Ziel der Dekarbonisierung, sondern strebt auch eine zirkuläre Beschaffung an. Die hergestellten Geräte sowie deren Materialien sollen wiederverwendbar oder recycelbar sein. Die Kreislaufwirtschaft beginnt bei einer solchen holistischen Sicht nicht erst mit der Entsorgung der Geräte, sondern bereits beim Design der Produkte.

Das Ziel besteht darin, eine geschlossene Lieferkette (Closed-loop Supply Chain) aufzubauen. Das Closed-loop Supply Chain Management umfasst die gesamte Vorwärtslogistik in der Lieferkette. Hierzu zählen die Materialbeschaffung, die Produktion sowie der Vertrieb. Die Rückwärtslogistik in der Lieferkette fokussiert die Sammlung und Verarbeitung zurückgegebener (gebrauchter oder unbenutzter) Produkte und/oder Produktteile, um eine ökonomisch und ökologisch nachhaltige Verwertung zu erzielen. 

Dieses umfassende Lieferkettenkonzept ermöglicht die Entwicklung neue B2B-Geschäftsmodelle. Die weltweit vertretene Reverse Logistics Group bspw. hat Rücknahmelösungen und -systeme für Produkte, Komponenten und Materialien entwickelt. Das Ziel besteht darin, die beteiligten Unternehmen durch eine skalierbare Plattform innerhalb einer Reverse-Logistics-Wertschöpfungskette miteinander zu verbinden. In diesem Fall ist „Nachhaltigkeit“ keine Nebenbedingung der Unternehmenstätigkeit, sondern deren Kern. 


Transparenz als vertrauensbildende Maßnahme

Unternehmen verlangen bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend detaillierte Produktinformationen, um ihr eigenes Agieren rechtfertigen zu können. Hierfür ist es wichtig, dass die Zulieferer eine Rückverfolgbarkeit von Materialien gewährleisten. Die hier geforderte Transparenz bezieht sich nicht nur auf Herkunft der Materialien, sondern auch auf die Bedingungen ihrer Erzeugung. Durch die nahtlose Verknüpfung aller Daten entlang der Lieferkette soll eine 360-Grad-Sicht geschaffen werden. Hierfür bedarf es möglichst umfassend vernetzter Lieferketten. In einer Ausbaustufe kann ein Lieferketten-Ökosystem entstehen. 

Um ein solches Lieferketten-Ökosystem aufzubauen, verlässt sich Apple nicht mehr allein auf die Zulieferung von Rohstoffen, die in Minen abgebaut werden. Das Unternehmen setzt in seiner Lieferkette immer stärker auf wiederverwendbare und recycelte Materialien wie Kupfer, Zinn und Aluminium. Hierdurch wird die Lieferkette nicht nur widerstandsfähiger. Es können gleichzeitig auch Kostenvorteile erzielt und „Nachhaltigkeits-Punkte“ gewonnen werden.


Vom Offshoring zum Reshoring und Friendshoring

Während vor vielen Jahren die Mehrheit der Unternehmen zur Senkung der Herstellungskosten auf ein umfassendes Offshoring gesetzt hat, wird heute verstärkt über das sogenannt Reshoring gesprochen. Dieser Prozess beschreibt die Verlagerung von Produktionsstätten zurück in das Heimatland des Herstellers – oder zumindest in benachbarte Länder. Bei dieser regionalen Beschaffung können nicht nur die CO₂-Emissionen reduziert werden, die mit langen Transportwegen verbunden sind. Unternehmen werden hierdurch auch unabhängiger von globalen Lieferketten und erhöhen so die eigene Resilienz.

Aufgrund der angespannten politischen Weltlage wird jetzt zunehmend versucht, das Reshoring als Friendshoring auszugestalten. Hierbei wird die Ansiedlung von Produktionsstätten in Ländern angestrebt, zu denen freundschaftliche Beziehungen bestehen – und die auch in Krisen verlässliche Partner bleiben werden. Auf diese Weise sollen Abhängigkeiten von unsicheren Ländern reduziert und Lieferkettendurchbrüche vermieden werden. 
 

Mit Green Branding zur Mitarbeiterbindung

Aufgrund des inzwischen auf allen Qualifikationsstufen anzutreffenden War for Talents wirkt sich ein umweltfreundlicheres B2B-Branding auch auf die Employer Brand aus. Der Purpose, die Vision, die Mission und auch die Werte eines Unternehmens gewinnen bei der Wahl des Arbeitsplatzes zunehmend an Bedeutung (vgl. Nugget Purpose). Für immer mehr – und nicht nur junge – Menschen werden die Berücksichtigung ethischer und ökologische Aspekte als Ausdruck einer verantwortungsvollen Unternehmensführung bei der Wahl des Arbeitgebers immer wichtiger.

Hierfür ist es unverzichtbar, dass auch die B2B-Unternehmen regelmäßig über ihre Nachhaltigkeitsprojekte informieren. Hierbei sollten nicht nur die Ziele der Jahre 2025 und 2030 präsentiert werden, sondern auch die erzielten Zwischenergebnisse und die eingeleiteten Maßnahmen. Schließlich gelingt eine umfassende nachhaltige Unternehmensführung nicht über Nacht, sondern erfordert ein konsequentes Handeln, oft über mehrere Jahre!
Ein Beispiel für ein solches Vorgehen zeigt Salesforce. Dieses Software-Unternehmen positioniert sich als grünes B2B-Unternehmen und hat sich als Ziel gesetzt, die ESG-Kriterien umfassend zu erfüllen. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, soziale Verantwortung sowie eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensführung (inkl. Berichterstattung) gelegt. Salesforce betont hierbei, dass es die ESG-Kriterien nicht nur beim eigenen Handeln berücksichtigt. Vielmehr sollen auch die eigenen Kunden dabei unterstützt werden, selbst nachhaltiger zu operieren. Das Motto hierzu lautet Net Zero. Die Mission des Unternehmens ist es, nicht bei der schon erreichten Netto-Null-Emission im eigenen Unternehmen stehenzubleiben. Salesforce unterstützt auch die größten Unternehmen der Welt, den Weg zu Netto-Null-Emissionen zu beschreiten.

SAP bietet mit der SAP Cloud for Sustainable Enterprises eine Lösung, die den Triple-Bottom-Line-Ansatz verfolgt – mit den Schwerpunkten Planet, People, Profit. Hierdurch können Unternehmen die eigenen Nachhaltigkeitsleistungen ganzheitlich messen, verwalten und optimieren. Dazu werden die notwendigen Daten und Prozesse integriert. Die B2B-Marke SAP kann selbst ergrünen, indem andere Unternehmen beim nachhaltigen Management unterstützt werden.
 

Green Growth

Die große Herausforderung heißt Grünes Wachstum bzw. Green Growth. Mit diesen Begriffen wird ein alternativer Wachstumspfad beschreiben. Das grüne Wachstum basiert auf einer nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen, um die Grundlage der Lebensqualität langfristig zu erhalten. Diese Art des Wachstums erfordert einen Umbau der Wirtschaft, der auf eine höhere Effizient der Ressourcennutzung abzielt. Durch die Bearbeitung neuer (grüner) Märkte sowie durch die Entwicklung von ökologischen Produkten und Dienstleistungen sollen Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Das grüne Wachstum soll eine wirtschaftliche Entwicklung mit den Notwendigkeiten einer nachhaltigen Unternehmensführung versöhnen. 

Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die B2B- und B2C-Unternehmen gleichzeitig angehen sollten. Dabei ist immer zu prüfen – Land für Land, Zielgruppe für Zielgruppe – wie stark das Behavior-Attitude-Gap jeweils ausfällt (vgl. Nugget Green Branding XX). Ein Unternehmen kann – mit Blick auf die bearbeiteten Märkte – mit einem umfassenden ökologischen Ansatz zu spät, aber auch zu früh kommen. Im letzteren Fall wären die Kunden nicht bereit, die mit einer nachhaltigeren Unternehmensführung verbundenen höheren Kosten bzw. Preise tatsächlich schon zu tragen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das kann aber auch gelten, wenn man mit einem nachhaltigen Ansatz zu früh kommt!

 

Über den Autor | Ralf T. Kreutzer

Professor für Marketing | Berlin School of Economics and Law

Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist seit 2005 Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht/Berlin School of Economics and Law. Parallel ist er als Trainer, Coach sowie als Marketing und Management Consultant tätig. Er war 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Bertelsmann (letzte Position Direktor des Auslandsbereichs einer Tochtergesellschaft), Volkswagen (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) und der Deutschen Post (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) tätig, bevor er 2005 zum Professor für Marketing berufen wurde. 

Professor Kreutzer hat durch regelmäßige Publikationen und Keynote-Vorträge (u.a. in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Singapur, Indien, Japan, Russland, USA) maßgebliche Impulse zu verschiedenen Themen rund um Marketing, Dialog-Marketing, CRM/Kundenbindungssysteme, Database-Marketing, Online-Marketing, Social-Media-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digital Branding, Dematerialisierung, Change-Management, Künstliche Intelligenz, Agiles Management, strategisches sowie internationales Marketing gesetzt und eine Vielzahl von Unternehmen im In- und Ausland in diesen Themenfeldern beraten. 

Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Toolbox für Marketing und Management“, „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zusammen mit Marie Sirrenberg), „B2B-Online-Marketing und Social Media (2. Aufl., 2020, zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“ (2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendialog online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Auflage, 2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwissen Kompakt (3. Aufl., 2021) und „Toolbox für Digital Business“ (2021).

Darüber hinaus leitet Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer die berufsbegleitende Ausbildung zum Chief Digital Officer (CDO) sowie das Seminar Nachhaltige Unternehmensführung bei der Bitkom Akademie.

www.ralf-kreutzer.de

 

 

Literatur-Empfehlungen

 

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Digital Branding im Zeitalter des digitalen Darwinismus