Purpose in Management – Buzzword oder unternehmerische Notwendigkeit?

Purpose ist einer der in den letzten Jahren am meisten gehypten Begriffe im Management. Ist Purpose mehr als ein Modewort? Sollten sich alle Unternehmen mit diesem Thema befassen? Schließlich ist ein Bezug zu Purpose heute noch selten in der werblichen Kommunikation zu finden. Häufiger finden sich dagegen Aussagen zum Purpose in der Selbstdarstellung von Unternehmen.

Purpose als Erfolgstreiber für Unternehmen

Shorts Facts

  • „Purpose“ ist die Antwort auf die Frage des „Why?“.
  • Jedes Unternehmen hat einen Purpose – doch nicht immer wird dieser bewusst gestaltet.
  • Der Golden Circle liefert wichtige Orientierung.

 

Golden Circle – nach Simon Sinek (2011)

 

Purpose ist einer der in den letzten Jahren am meisten gehypten Begriffe im Management. Ist Purpose mehr als ein Modewort? Sollten sich alle Unternehmen mit diesem Thema befassen? Schließlich ist ein Bezug zu Purpose heute noch selten in der werblichen Kommunikation zu finden. Häufiger finden sich dagegen Aussagen zum Purpose in der Selbstdarstellung von Unternehmen.

 

Was ist eigentlich der Kern von „Purpose“?

Mit dem Begriff „Purpose“ wird im Management der Sinn und Zweck eines Unternehmens bzw. übergreifend der Daseinsgrund beschrieben. Im Purpose wird die Motivation sichtbar, die im Unternehmen idealerweise tief verankert ist und das Agieren der Mitarbeiter und Führungskräfte leitet. Jedes Unternehmen verfügt über einen mehr oder weniger bewussten Purpose. Beim Purpose-basierten Management geht es allerdings darum, diesen Purpose bewusst und handlungsleitend zu machen. Nur wenn Unternehmen sich ihres Purpose bewusst sind, können Vision, Mission und die Strategien zur Umsetzung an diesem Purpose ausgerichtet werden.

Durch den Purpose bzw. den Unternehmenszweck wird das „Warum?“ des unternehmerischen Agierens beschrieben. Purpose stellt ein übergreifendes Engagement für die Gesellschaft heraus, das übergeordnete Ziele wie Leben verbessern oder Schaden verringern in das Zentrum der unternehmerischen Entscheidungen stellt. Purpose erkennt hierbei die wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft an. Purpose ist gleichsam die Existenzberechtigung für ein Unternehmen. Die unternehmerische Existenz wird dadurch legitimiert, dass sich das Unternehmen als Teil der Gesellschaft versteht und Mehrwerte schafft, die über die reine Gewinnerzielung hinausgehen. Hierbei geht es um die Nutzenstiftung im sozialen, ökonomischen und ökologischen Bereich.

Über viele Jahrzehnte dominierte bei der Antwort auf die Frage des „Warum?“ ein eng definierter Unternehmenszweck. Dieser kann als Corporate Purpose bzw. Commercial Purpose bezeichnet werden. Im Mittelpunkt stand hier die Gewinnerzielung. Der unternehmerische Fokus war dominant auf den Markt mit seinen Kunden und Wettbewerbern ausgerichtet. Ein Unternehmen konnte schon allein dadurch seine Existenz rechtfertigen, dass es Kunden mit Produkten und Dienstleistungen versorgte.

Die heute laufende Diskussion führt über diesen Ansatz weit hinaus. Die Antwort auf die Frage des „Warum?“ kann nicht mehr allein Gewinn oder Umsatz sein. Gewinn und Umsatz werden heute zunehmend als Ergebnis einer überzeugenden Purpose-Definition interpretiert und nicht mehr als deren Inhalt akzeptiert. Deshalb sollte heute eher von einem Higher Purpose bzw. einem Collective Purpose gesprochen werden (vgl. Kilian und Miklis 2020, S. 28). Der Begriff Collective Purpose unterstreicht, dass die Zweckbestimmung eines Unternehmens in der heutigen Zeit viel umfassender zu definieren ist.

Ein solcher Collective Purpose kann heute einen wichtigen Beitrag zur Positionierung eines Unternehmens oder auch eine Marke im Wettbewerb leisten. Deshalb lautet die Herausforderung für das Management:

 

Start with why!

Die hier zugrundeliegende Frage ist, warum Menschen bestimmten Persönlichkeiten, Ideen und auch Unternehmen folgen – und anderen nicht. Warum inspirieren und verführen uns die einen, während wir anderen „Verführungen“ leicht widerstehen können? Eine spannende These von Sinek (2011) lautet:

  • People don’t buy what you do, they buy why you do it.
  • Menschen kaufen nicht das, was man macht. Menschen kaufen, warum man etwas macht bzw. wofür man steht!

Aus dieser Frage folgt, dass ein Unternehmen in der heutigen Zeit auch eine wertschöpfende Begründung für das unternehmerische Tun mitliefern sollte – konkret einen Collective Purpose. Hierfür hat Sinek den Golden Circle als Management-Tool entwickelt. Es formuliert für die Unternehmensleitung drei zentrale Fragen:

  • Why do you do what you do? What´s the purpose?
    Hier geht es um den Sinn und Zweck eines Unternehmens, darum, warum es existiert! Hier werden die Kernüberzeugung des Unternehmens sowie der Grund für seine Existenz definiert, die über den ursprünglich dominierenden Commercial Purpose hinaus zum Collective Purpose führen.
  • How do you do what you do?
    Hier geht es um die Strategien und die Prozesse der Leistungserstellung eines Unternehmens! Dabei wird die Art und Weise beschrieben, wie das Unternehmen seine Grundüberzeugung in aktives Tun umsetzen soll.
  • What do you do?
    Hier geht es um die Produkte und Dienstleistungen, die ein Unternehmen anbietet – orientiert an den definierten Grundüberzeugungen.

Die Frage nach dem „Why?“ bzw. dem „Warum?“ und „Wozu?“ wird hier in das Zentrum der Abbildung gesetzt. Sie bildet gleichsam den Ausgangspunkt des unternehmerischen Handelns – oder sollte es zumindest. Jedes Unternehmen hat heute eine genaue Vorstellung davon, was es tut („What?”). Die große Mehrheit der Unternehmen hat auch eine genaue Vorstellung darüber, welche Strategien und Prozesse zur Erzeugung der gewünschten Produkte und Dienstleistungen erforderlich sind. Hierbei geht es um das „How?“ der Leistungserbringung. Allerdings gelingt es auch heute nur wenigen Unternehmen, präzise zu formulieren, wofür sie eigentlich stehen. Hier geht es um die Antwort auf die Frage des „Why?” – und als Antwort wird hier zunehmender Collective Purpose gefordert.

 

Verzicht auf Purpose Washing

Purpose sollte nicht auf eine (strategische) Initiative reduziert werden. Eine Purpose-basierte Unternehmensführung stellt vielmehr eine Geschäftsmethode dar. Der Purpose muss im Mittelpunkt der Entscheidungen, Gespräche und Verhaltensweisen auf allen Ebenen stehen, um wirklich gelebt zu werden.

Deshalb reicht es nicht aus, den Purpose nur in Hochglanzbroschüren, auf Postern sowie auf der Website auszuloben. Wenn sich Unternehmen auf diese Art der „Purpose-Umsetzung“ beschränken, spricht man von Purpose Washing – in Analogie zum Greenwashing.

Damit ein solches Purpose Washing vermieden wird, ist der Purpose-Ansatz umfassend in der Unternehmenskultur zu verankern. Wenn sich das Thema „Purpose“ nur in der Unternehmenskommunikation wiederfindet – nicht aber im täglichen Handeln – gefährdet ein Unternehmen seine langfristige Glaubwürdigkeit.

Kilian, K./Miklis, M. A. (2020): Purpose im Marketing – erfolgreich mit sinnstiftendem Unternehmenszweck, in: Stumpf, M. (2020, Hrsg.): Die 10 wichtigsten Zukunftsthemen im Marketing, 2. Aufl., Freiburg: Haufe, S. 21-45.
Sinek, S. (2011): Start with Why: How Great Leaders Inspire Everyone to Take Action, New York: Pinguin Group.

 

Über den Autor | Ralf T. Kreutzer

Professor für Marketing | Berlin School of Economics and Law

Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist seit 2005 Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht/Berlin School of Economics and Law. Parallel ist er als Trainer, Coach sowie als Marketing und Management Consultant tätig. Er war 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Bertelsmann (letzte Position Direktor des Auslandsbereichs einer Tochtergesellschaft), Volkswagen (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) und der Deutschen Post (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) tätig, bevor er 2005 zum Professor für Marketing berufen wurde. 

Professor Kreutzer hat durch regelmäßige Publikationen und Keynote-Vorträge (u.a. in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Singapur, Indien, Japan, Russland, USA) maßgebliche Impulse zu verschiedenen Themen rund um Marketing, Dialog-Marketing, CRM/Kundenbindungssysteme, Database-Marketing, Online-Marketing, Social-Media-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digital Branding, Dematerialisierung, Change-Management, Künstliche Intelligenz, Agiles Management, strategisches sowie internationales Marketing gesetzt und eine Vielzahl von Unternehmen im In- und Ausland in diesen Themenfeldern beraten. 

Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Toolbox für Marketing und Management“, „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zusammen mit Marie Sirrenberg), „B2B-Online-Marketing und Social Media (2. Aufl., 2020, zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“ (2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendialog online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Auflage, 2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwissen Kompakt (3. Aufl., 2021) und „Toolbox für Digital Business“ (2021).

Darüber hinaus leitet Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer die berufsbegleitende Ausbildung zum Chief Digital Officer (CDO) sowie das Seminar Nachhaltige Unternehmensführung bei der Bitkom Akademie.

www.ralf-kreutzer.de

 

 

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