Wie stehen die Kunden zur grünen Markenführung – in Worten und Taten?

Im Beitrag Orientierungspunkte der Markenführung wurden verschiedene Ansätze präsentiert, wie Unternehmen eine grüne Markenführung vorantreiben können. Doch wie sieht es mit den Kunden aus? Wie reif sind Kunden bereits für eine grüne Markenführung? Und was nehmen sie bei einer oder für eine grüne Markenführung in Kauf?

Wir dürfen den Kunden nicht alles glauben!

Short Facts

  • Der Trend zur Nachhaltigkeit unterscheidet sich zwischen den Zielgruppen
  • Das Attitude-Behavior-Gap zeigt die Diskrepanz zwischen Worten und Taten
  • Nachhaltigkeit ist mit „Lustgewinn“ zu verbinden

Veränderungen der Kundenerwartungen


Im Beitrag Orientierungspunkte der Markenführung wurden verschiedene Ansätze präsentiert, wie Unternehmen eine grüne Markenführung vorantreiben können. Doch wie sieht es mit den Kunden aus? Wie reif sind Kunden bereits für eine grüne Markenführung? Und was nehmen sie bei einer oder für eine grüne Markenführung in Kauf?

 

Wie schauen Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute auf das Thema Nachhaltigkeit?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, befragte McKinsey (2021, S. 2f.) deutsche, österreichische und Schweizer Verbraucher im Alter von über 18 Jahren. Zielgruppe waren Personen, die in den letzten zwei Monaten Lebensmittel, Haushalts-, Körperpflege- oder Gesundheitsprodukte eingekauft haben. Hierbei wurden die folgenden Erkenntnisse gewonnen:

  • Die eine Hälfte der Verbraucher war bereit, während der Pandemie bis zu 20 % mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen als zuvor. Nach der Pandemie ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Allerdings ist die andere Hälfte der Verbraucher nicht bereit, mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen.
     
  • Während der Pandemie waren die Verbraucher bewusst bestrebt, ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft zu verringern. Etwa ein Viertel der Verbraucher wechselte auch häufiger zu Produkten oder Marken, wenn diese als nachhaltig gekennzeichnet waren.
     
  • Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Verbrauchergruppen hinsichtlich ihrer Bereitschaft, einen Preisaufschlag für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Im Allgemeinen sind Frauen, Verbraucher der Generation Z, Menschen mit hohem Einkommen und Online-Käufer eher bereit, einen Aufpreis für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Verbraucher der Generation Z sind bspw. eher bereit, für nachhaltige Snacks, Fertiggerichte und Körperpflegeprodukte höhere Preise zu akzeptieren.
     
  • Verbraucher sind am ehesten bereit, einen Preisaufschlag für nachhaltige frische Lebensmittel sowie für Hautpflegeprodukte zu bezahlen. Das gilt dagegen nicht in gleichem Maße für nachhaltige Haushaltspflegeprodukte.
     
  • Die Bereitschaft, einen Preisaufschlag für nachhaltige Produkte zu zahlen, wird in erster Linie durch ökologische und soziale Aspekte bestimmt. Aspekte der persönlichen Gesundheit sind dagegen nach Aussagen der Befragten weniger wichtig.
     
  • Eine faire Entlohnung der Mitarbeiter ist der wichtigste Treiber für die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte.
     
  • Die wichtigsten Treiber für einen umweltfreundlicheren Konsum sind Angaben wie „frei von…“. Auch Angaben wie geringe Treibhausgasemissionen, Rohstoffeinsparung und Vermeidung von Verpackungen fördern den umweltfreundlicheren Konsum.
     
  • Die Bedeutung spezifischer Nachhaltigkeitsaspekte variiert von Kategorie zu Kategorie. So ist bspw. die Vermeidung von Verpackungen bei Obst und Gemüse sowie bei Körperpflege und Haushaltspflege wichtiger. Eine geringere Bedeutung wird diesen Aspekten bei Fleisch, Fisch und bei Milchprodukten gesehen.

Aus diesen Ergebnissen wird die Empfehlung für Hersteller von Konsumgütern und für Einzelhändler abgeleitet, sich noch stärker auf Themen der Nachhaltigkeit zu konzentrieren. Hierzu gehören auch mutige Veränderungen in Sortiment, Preisgestaltung, Vertriebskanal, Marketing, Produktion und Logistik. Nur so kann eine grüne Markenführung glaubhaft erreicht werden.

 

Was hat es mit dem Attitude-Behavior-Gap auf sich?

Bei der Diskussion um die Nachhaltigkeit im Kaufverhalten ist ein Blick auf das Attitude-Behavior-Gap unverzichtbar. Diese Lücke tut sich auf, wenn die persönlichen – häufig auch in Umfragen gezeigten – Werte oder Einstellungen einer Person (Attitude) nicht mit deren konkreten Handlungen (Behavior) übereinstimmen. Worte und Taten fallen hier auseinander.

Diese häufig festgestellten Diskrepanzen können teilweise durch die soziale Erwünschtheit erklärt werden. Eine soziale Erwünschtheit liegt vor, wenn befragte Personen Antworten geben, von denen sie meinen, dass sie in höherem Maße auf eine soziale Zustimmung stoßen als die „wahre Antwort”. Durch dieses Verhalten kommt es bei Befragungen zu systematischen Antwortverzerrungen. Diese Effekte sind bei der Interpretation von Studienergebnissen immer mitzudenken.

Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum in Umfragen häufig die Bereitschaft sichtbar wird, mehr Geld für Bio-Lebensmittel auszugeben. Allerdings liegt der Anteil der Bio-Produkte am Lebensmittelumsatz in Deutschland nach wie vor nur bei ca. 10 %. Auch im Bereich Fashion sehen viele die Konsumenten die Notwendigkeit, nachhaltiger einzukaufen und stellen ein solches Verhalten auch in Aussicht. Trotzdem verzeichnen Anbieter wie Primark und SheIn immer wieder neue Umsatzrekorde.

Aufgrund dieses Auseinanderfallens von Worten und Taten muss sich die grüne Markenführung umfassend am Verhalten der Kunden orientieren – und nicht (allein) an den Ergebnissen von Marktforschungsstudien ausrichten. So zeigen Studien bspw. immer wieder, dass sich vor allem jüngere Menschen nachhaltigerer Mode wünschen. So sehen bspw. 90 % der Konsumenten aus der Generation Z (im Alter von 18 bis 24 Jahren) Unternehmen in der Verantwortung, die Umwelt zu schützen und einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten (vgl. McKinsey 2019).

Teilweise zeigt sich das auch schon in einem größeren Interesse an Secondhand-Mode, Recycling und der Reparatur von Modeartikeln. Allerdings zeigt sich auch hier die oft noch große Diskrepanz zwischen diesen Einstellungen und dem tatsächlichen Verhalten. Die große Mehrheit tut sich weiterhin sehr schwer damit, die eigenen – auf Nachhaltigkeit zielenden – Werte in entsprechende Kaufentscheidungen umzusetzen. Hierzu trägt auch bei, dass sich in einer Studie von Zalando jeder zweite Mode-Konsument unsicher darüber ist, was Nachhaltigkeit bei Mode bedeutet (vgl. Zalando 2021, S. 5).

In der zitierten Studie von Zalando wird schon durch den Titel It Takes Two deutlich, dass zum nachhaltigen Konsum zwei Parteien gehören:

Anbieter und Nachfrager.

In dieser Studie wurde auch sichtbar, dass die Studienteilnehmer mit „nachhaltiger Mode“ am häufigsten „Schuldgefühle“, am seltensten aber „Spaß“ verbinden. Eine solche Assoziation muss sich zwingend ändern, wenn Unternehmen Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihres Geschäftsmodells stellen wollen.

Handlungsempfehlungen, um die „Attitude-Behavior-Gap“ zu schließen

Zalando leitet aus den Studienergebnissen konkrete Ideen ab, um das „Attitude-Behavior-Gap“ zu schließen (vgl. Zalando 2021, S. 27-33). Diese Handlungsempfehlungen werden nachfolgend so formuliert, dass sie für viele Branchen relevant sind – nicht nur für die Fashion-Industrie:

  • Setzen Sie in Ihrer Kommunikation auf Transparenz und nehmen Sie Ihre Kunden mit auf die (spannende) Nachhaltigkeitsreise!
     
  • Sprechen Sie über Nachhaltigkeit so, dass jeder Ihren Ausführungen folgen kann!
     
  • Unterstützen Sie Ihre Kunden dabei, die Relevanz und Dringlichkeit der eigenen Nachhaltigkeitsmission zu verstehen!
     
  • Helfen Sie Ihren Kunden, nicht mehr, sondern richtig zu kaufen!
     
  • Setzen Sie Daten und Technologie so ein, dass nicht nachhaltige Rabatte vermieden werden!
     
  • Steigern Sie den Verkauf von nachhaltigen Produkten, indem Sie Ihre Kunden durch Faktoren wie Qualität in einem umfassenderen Sinne überzeugen.
  • Nutzen Sie Ihren Einfluss auf sinnvolle Weise, indem Sie neben Influencern auch Ihren Kunden und Mitarbeitern eine Stimme geben!
     
  • Wenden Sie die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft im gesamten Lebenszyklus eines Produktes an!
     
  • Investieren Sie in Secondhand-Lösungen, durch eigene Plattformen oder unterstützen Sie solche!
     
  • Helfen Sie Ihren Kunden dabei, Ihre Produkte richtig zu nutzen, zu pflegen und zu reparieren!

 

Wie sich Kundenerwartungen im Zeitablauf verändern?

Die Erwartungen der Kunden verändern sich im Zeitablauf. Dies wird in der Abbildung sichtbar. Eine grüne Markenführung kann einige der dort aufgezeigten Veränderungen aufgreifen und bedienen und so zum Schließen des Attitude-Behavior-Gap beitragen.

 

Mehr Wissen zum Thema der grünen Unternehmensführung finden Sie auch in unserem neuen Workshop "Nachhaltige Unternehmensführung". Für mehr Informationen klicken Sie bitte hier.

 

Über den Autor | Ralf T. Kreutzer

Professor für Marketing | Berlin School of Economics and Law

Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist seit 2005 Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht/Berlin School of Economics and Law. Parallel ist er als Trainer, Coach sowie als Marketing und Management Consultant tätig. Er war 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Bertelsmann (letzte Position Direktor des Auslandsbereichs einer Tochtergesellschaft), Volkswagen (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) und der Deutschen Post (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) tätig, bevor er 2005 zum Professor für Marketing berufen wurde. 

Professor Kreutzer hat durch regelmäßige Publikationen und Keynote-Vorträge (u.a. in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Singapur, Indien, Japan, Russland, USA) maßgebliche Impulse zu verschiedenen Themen rund um Marketing, Dialog-Marketing, CRM/Kundenbindungssysteme, Database-Marketing, Online-Marketing, Social-Media-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digital Branding, Dematerialisierung, Change-Management, Künstliche Intelligenz, Agiles Management, strategisches sowie internationales Marketing gesetzt und eine Vielzahl von Unternehmen im In- und Ausland in diesen Themenfeldern beraten. 

Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Toolbox für Marketing und Management“, „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zusammen mit Marie Sirrenberg), „B2B-Online-Marketing und Social Media (2. Aufl., 2020, zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“ (2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendialog online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Auflage, 2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwissen Kompakt (3. Aufl., 2021) und „Toolbox für Digital Business“ (2021).

Darüber hinaus leitet Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer die berufsbegleitende Ausbildung zum Chief Digital Officer (CDO) sowie das Seminar Nachhaltige Unternehmensführung bei der Bitkom Akademie.

www.ralf-kreutzer.de

 

 

Literatur-Empfehlungen

 

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